DIE WERBEPAUSE
: Die Grenze der Solidarität

Dienstagvormittag, 11.20 Uhr, es klingelt. Lars Hedegaard öffnet seine Wohnungstür in einem Mehrfamilienhaus im Pelargonievej in Kopenhagens Vorort Fredriksberg. Ein Schuss wird abgefeuert. Hedegaard ist unverletzt, ein Mann in roter Postjacke entkommt, ein Projektil bleibt zurück. Keine 20 Stunden später ist der Angriff auf den islamfeindlichen Publizisten Bestandteil der Abowerbung: „Unterstützt Lars Hedegaard und die Meinungsfreiheit, zeichnet ein Abo des Dispatch International“, heißt es seit Mittwoch auf der Website. Dispatch International ist eine rassistische Publikation, deren erste gedruckte Nummer im Januar, deren zweite einen Tag nach dem Schuss im Pelargonievej erschien – und Hedegaard ist einer der beiden Herausgeber.

Hedegaard stand wegen Sätzen vor Gericht wie: „Die vergewaltigen ihre eigenen Kinder“, oder: „Mädchen in muslimischen Familien werden von ihren Onkeln, Vettern und ihrem Vater vergewaltigt.“ Der norwegische Massenmörder Anders Breivik bezieht sich in seinem „Manifest“ mehrfach auf ihn.

Aus Solidarität mit diesem Mann sollen wir ein Abo des Dispatch International zeichnen? Mit der Begründung: „Mehr Meinungsfreiheit muss unsere Antwort auf die Gewalt sein“, bejahte diese Frage ein Kommentator des Stockholmer Svenska Dagbladet. Und stieß damit, abgesehen vom zu erwartenden Beifall von rechts außen, auf Kritik. Selbstverständlich müsse man auch die Meinungsfreiheit eines „rabiaten Rassisten wie Hedegaard“ verteidigen, kommentiert etwa sein Kollege Johan Malmberg vom Helsingborgs Dagblad. Aber auch noch dessen Ergüsse unterstützen? Sicher nicht, meint Malmberg, zumal die Meinungsfreiheit aufs Spiel gesetzt würde, „wenn rassistische Ansichten wie die Hedegaards Allgemeingut würden“.

Aber hatte die Attacke auf Hedegaard überhaupt einen politischen Hintergrund? Die Polizei ist zurückhaltend. Laut einem Polizeisprecher könne kein Motiv ausgeschlossen werden, auch keine Eifersuchtstat. Aber für eine Abokampagne wäre die wohl weniger geeignet.

REINHARD WOLFF, STOCKHOLM